© STRASSER Steine

Optische Novitäten und neue Sehgewohnheiten ziehen in die neue Küchendekade ein. Dabei spielt nicht nur Design eine Hauptrolle: Smarte Elemente und die Besinnung auf das We­sentliche machen die Küche der Zukunft zur sozialen Erlebniswelt.

21.02.2020 - By Sandra Keplinger

Vollkommen neu und doch irgendwie bekannt fühlen sich die Küchentrends 2020 an. Eines ist sicher: Das Auge wird in der kommenden Dekade be-ruhigt: In der modernen Küche verschwinden Farben fast zur Gänze von Arbeitsflächen und Möblierung, alles ist harmonisch Ton in Ton. Auch von der Landhaus-Küche wird man sich gänzlich verabschieden: Oberflächen sind glatt und überzeugen vor allem durch ihre Haptik.

Ort der künstlichen Intelligenz

Dass man 2020 schnörkellos designt, hat nicht nur mit Ästhetik zu tun. Unaufhaltsam ziehen smarte Lösungen in die Küche ein – und verschwinden hinter großzügigen Flächen, können aber bei Bedarf wie von Geisterhand hervorgezaubert werden. So stehen sich zwei Extreme gegenüber: komplizierte Technik und reduziertes Design. »Das Smart Home wird in der Küche immer dominanter«, erklärt Designer Martin Steininger. So wird die Küche in der Zukunft mithilfe von 5G und dem Internet of Things anhand von digitalen Kochrezepten feststellen, welche Lebensmittel im Kühlschrank fehlen, und sie automatisch bestellen. Skulpturale Küchen wie die »Black Fold«, die aus einer Kombination von schwarzem Stein und patentiertem Schwarzstahl besteht, sind mit smarten Tricks gespickt. »Sie ist ebenso minimalistisch wie raffiniert«, erzählt Steininger weiter. »Hinter der schlichten Oberfläche verstecken sich individuelle Küchenfunktionen, ein elektrisch zu öffnendes Kochfeld, Spüle, Stauraum, aber auch ein ausfahrbarer Barschrank. Unsere Smart-Home-Arbeitsfläche ›M.Pod‹ dient als multifunktionaler Screen, der die Arbeit in der Küche erleichtert.« 

Ein formstarkes Statement setzt Steininger mit der Neuauflage der »Fold«, die im Frühling erstmals in Schwarz präsentiert wird. Im Inneren verstecken sich nicht nur Stauraum und Funktionen, auch Smart-Home-Elemente sind verarbeitet. steininger-designers.at

© Florian Stoellinger

Mentale Beruhigung

Um dieser hochtechnologisierten Welt wieder mehr Menschlichkeit zu verleihen, spielen schöne und hochwertige Materialien eine wichtige Vermittlerrolle. Holz, Stein und Metall sind, je nach Vorliebe, treue Begleiter und rücken die oft befremdlich scheinende künstliche Intelligenz in ein freundlicheres Licht. Auf starke Kontraste wird beim Küchendesign 2020 komplett verzichtet, stattdessen sucht man nach tonaler Harmonie, die man mit warmen Highlights im Décor aufpeppt. Somit gehören auch auffällige Marmorierungen im Stein der Vergangenheit an, an ihre Stelle treten kleinteilige Muster und monochromatische Strukturen. Bestes Beispiel ist die »ST-ONE« von Strasser aus Naturstein-Monolith. Starkoch Johann Lafer ließ sich für seine Kochschule sogar eine sieben-Meter-lange Kochinsel daraus maßfertigen. Arbeitsplatten aus Stein werden außerdem filigraner und erschlagen einen nicht mehr. Hersteller wie Breitwieser, Strasser oder Bulthaup sind prägend für diesen Trend. »Die Materialien sind so dünn wie möglich und so dick wie nötig«, sagt Markus Pichler von Bulthaup im Neunten. Auch die Bulthaup-Küche »b3« setzt auf angenehme Monotonie, allerdings im hellen Farbspektrum: Weiß, Creme und Eggshell dominieren hier das Bild. Gepaart mit den typisch reduzierten Designs von Bulthaup entsteht so ein offener, freundlicher Raum, der durch einen Wechsel in der Struktur der Oberflächen an Wirkung gewinnt. »Ich persönlich verwende eher sanfte Übergänge, um Räume zu definieren«, erzählt Pichler, der auch vom eigens entwickelten Laminat schwärmt. »Das homogen durchfärbte Material ist äußerst beständig und sehr widerstandsfähig. In seiner ruhigen, minimalistischen Erscheinung wird es haptisch und optisch zum Erlebnis. Fronten, Arbeitsplatte und Mono­blöcke wirken wie aus einem Guss.« 

Apropos Übergänge: Wer warme Farben und die ökologischen Vorteile von Holz liebt, kann den hellen Trend problemlos aufgreifen: »Da Weiß die Summe aller Farben ist, ist auch eine Kombination mit einer Vielzahl an Materialien möglich. Weiß ist ein perfekter Rahmen, nichts lenkt ab. Diese Perfektion kann sehr schön mit natürlichen Farben in Kontrast gesetzt werden. Holz schafft beispielsweise viel Wohnlichkeit und Wärme. Jeder Baum ist ein Einzelstück, das kann man spüren, riechen und sehen.«

Die Küche »Shape« kommt völlig ohne Griffe aus. Um die Küche wohnlich zu gestalten, werden Metall, Holz und Stein gekonnt miteinander kombiniert – der Materialmix schafft optische Wärme. poliform.it

Foto beigestellt

poliform.it

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Ort der Zusammenkunft

Dass man im Zeitalter der Digitalisierung Wert auf Haptik legt, scheint gerade in der Küche logisch. Auf die Frage, ob das alte Motto »Weniger ist mehr« noch zutrifft, antwortet Markus Pichler: »Im Lauf der Jahre hat die Architektur etwas überhand genommen, die Küche wurde zur Einbaulösung. Die Küche ist aber nicht nur ein Produkt. Dort mache ich es mir gemütlich, lade Gäste ein, mit denen ich Zeit verbringen möchte. Das ist die Reduktion auf das Wesentliche.«

Sophisticated Roleplay

Dass Holz 2020 weiterhin im Rampenlicht steht, ist nicht nur seinem grünen Fußabdruck, sondern auch seiner Vielfältigkeit zu verdanken. Während man in den letzten Jahren auf ein authentisches, unmodifiziertes Design aus Naturholz setzte, kommt in der neuen Dekade viel Experimentierfreudigkeit mit dem versatilen Material auf uns zu. Die italienische Designfirma Giorgetti lässt es in ein einheitliches Kostüm mit luxuriösem Finish schlüpfen – sowohl bei Oberflächen als auch bei Accessoires. So wird eine perfekte Verbindung zwischen Interior- und Küchendesign kreiert, und es entsteht ein zeitgenössischer, fast avantgardistischer Designzugang, der auch bei Größen wie SieMatic fortgesetzt wird. Dort wandert beispielsweise klassisches Fischgrätmuster vom Boden an die Wand und zaubert so trotz cleanem Design mit strikter Linienführung eine gemüt­liche Atmosphäre. Abgerundet wird der Look mit raffiniert platziertem Licht, das die Arbeitsflächen optisch vom Korpus abhebt und eine Dreidimensionalität schafft.

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Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 01/2020

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