Die Poesie des Raums
Wenn innen und außen verschwimmen und sich auf winzigem Raum ganze Welten entfalten, dann hatten japanische Architekten ihre Finger im Spiel. Eine fernöstliche Reise auf der Suche nach dem Geheimnis des Wohnens.
01 . Mai 2018 - By Maik Novotny
Was ist ein Haus? Jeder Bauherr, jede Bauherrin, jedes Kind in unseren Breitengraden hat die schnelle Antwort parat: solide Wände, solides Dach, Fenster, Tür, Zimmer in genormter Größe, fertig. Aber warum eigentlich? Und ist das wirklich die beste aller möglichen Wohnwelten?
Natürlich ist es das. Der Architekt Sou Fujimoto hat es für ein junges Paar entworfen und House NA getauft. Inspirieren ließ er sich dafür von Bäumen. »Das Faszinierende an einem Baum ist, dass die Räume darin nicht isoliert sind. Man kommuniziert von Ast zu Ast. Das Haus sieht zwar nicht aus wie ein Baum, aber die Erfahrung ist dieselbe: eine Existenz zwischen Stadt, Architektur, Möbeln und dem eigenen Körper.«
Wohl keine Kultur hat so gründlich darüber nachgedacht, was ein Haus ist, wie die Japaner. Und niemand tut es auf so poetische Weise. Innen und außen sind hier, wo man mit allen Sinnen auf das sich ständig ändernde Wetter reagiert, nicht strikt voneinander getrennt. Wände sind hauchdünn, verschiebbar oder verschwinden ganz. Das war schon immer so: Die perfekte Verkörperung des japanischen Hauses ist die kaiserliche Katsura Villa in Kyoto mit ihrer zeitlosen Schönheit, perfektioniert über Jahrhunderte, und ihrer Einheit von Bauwerk und Natur.