© Hertha Hurnaus

Holz erobert den städtischen Raum. Nicht nur an der Fassade, sondern auch in der Primärkonstruktion kommt der nachwachsende Rohstoff mehr und mehr zum Einsatz.

17.03.2020 - By Wojciech Czaja

Wer nicht ständig nach vorne denkt, entsprechend investiert und am Puls der Zeit bleibt«, sagt Johann Sunk, »wird im Wirtschaftsleben langfristig nicht überleben.« Diese Sorgen muss sich der Senior-Chef der 1971 gegründeten Wibeba-Holz Ges.m.b.H jedenfalls nicht machen. Das Unternehmen mit 150 Mitarbeitern verarbeitet pro Jahr rund 55.000 Festmeter Hartlaubholz, vor allem Eiche, zu nachhaltigen Bauteilen wie Rundholz, Möbelplatten, Treppenstufen, Parkettböden und Brandschutzelementen. Knapp 75 Prozent des Produktionsvolumens werden exportiert. Vor zwei Jahren hat sich das Familienunternehmen mit Hauptsitz im niederösterreichischen Wieselburg dazu entschieden, sich mit einer neuen Firmenzentrale zu beschenken. Der Auftrag ging an niemand Geringeren als an das Vorarlberger Architekturbüro Dietrich Untertrifaller. 

»Das ist ein ziemlich großer Betriebsstandort am Stadtrand von Wieselburg«, sagt Architekt Much Untertrifaller. »Wir haben uns die Frage gestellt, wie sich ein verhältnismäßig kleines Verwaltungsgebäude gegenüber den großen benachbarten Industriegebäuden behaupten, sich zugleich aber harmonisch in die locker bebaute Einfamilienhausumgebung einfügen kann.« Die Antwort darauf ist ein schlichter Eichenholzwürfel mit 15 Metern Seitenkante, der wie eine abstrakte Landmark mitten am Areal steht – als Büro, Showroom und zugleich Abfertigungsstelle für Lkw-Fahrer. Auf mehreren Split-Levels schrauben sich die Funktionsräume nach oben. Den Abschluss bildet eine höhenversetzte Event-Dachterrasse mit Blick auf den Ötscher. »Holz ist ein genialer Baustoff mit vielen Vorteilen«, sagt Untertrifaller. »Man kann präzise und leichtgewichtig arbeiten und erzielt aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades eine sehr schnelle Bauzeit. So ein Haus steht wie der Blitz. In unserem Fall hat die gesamte Bauzeit nicht einmal vier Monate gedauert.« Doch die wichtigsten Vorzüge des Baustoffs liegen in der Tiefe der Fasern verborgen: Holz ist ein guter CO2-Speicher und hat aus diesem Grund einen entsprechend niedrigen ökologischen Fußabdruck, wohingegen alle anderen Baustoffe in der Produktion keine Gase speichern, sondern sogar noch massenweise Schadstoffe verursachen. 

Holz ist ein genialer Baustoff mit vielen Vorteilen. Man kann schnell, präzise und leichtgewichtig arbeiten. So ein Haus steht wie der Blitz. In unserem Fall hat die Bauzeit nicht einmal vier Monate gedauert.

Much Untertrifaller, Architekt

Für den Holzproduzenten Wibeba-Holz bauten die Vorarlberger Architekten Dietrich Untertrifaller diese kleine, aber feine Firmenzentrale. wibeba-holz.com, dietrich.untertrifaller.com

© Bruno Klomfar

Das Wiener Architekturbüro einszueins hat sich auf die Planung von Baugruppen und Partizipationsprojekten spezialisiert. gleis21.wien, einszueins.at, weissenseer.com

© Hertha Hurnaus

Zunehmend befindet sich Holz nun auch im städtischen Gefüge im sichtbaren Vormarsch. War der nachwachsende Rohstoff in der Vergangenheit vor allem im alpinen Einfamilienhausbau sichtbar, so kommt er nun immer häufiger auch bei urbanen, ja sogar innerstädtischen Wohn- und Geschäftshäusern zum Einsatz. querkraft architekten und Berger + Parkkinen haben für den gemeinnützigen Bauträger EBG vor einigen Jahren einen Holzbau für die Seestadt Aspern geplant. Die mehrteilige Wohnhausanlage wurde mit der Holzforschung Austria und den beiden Holzbetrieben LC Buildings und Weissenseer entwickelt und zeichnet sich durch Holzfassaden, Holzbrücken und sogar einen mit Holz ausgekleideten Innenhof aus. 

Vor wenigen Monaten wurde im Sonnwendviertel hinter dem neuen Wiener Hauptbahnhof das Wohnbauprojekt Gleis 2 fertiggestellt. Auch hier wurde ein Großteil des Gebäudes in Holz errichtet – und zwar nicht nur die Fassade, sondern auch große Teile der tragenden Primärkonstruktion. Im Bereich der Laubengänge und Holzverbunddecken kam sogar ein von Weissenseer und einszueins architekten entwickeltes technisches Patent zum Einsatz. Viele An­rainer und Nachbarn bezeichnen den ungewöhnlichen Holzbau mit seinem Open-Air-Bücherregal im Erdgeschoß und seinen blauen und türkisen Fenstern als eines der schönsten Häuser im neuen Sonnwendviertel. 

Mehr und mehr erobert Holz den städtischen Raum, nicht zuletzt auch in der urbansten Bauform überhaupt – im Hochhausbau. In der Seestadt Aspern wurde soeben das 24-stöckige Holzhochhaus HoHo fertiggestellt. In der norwegischen Stadt Brumunddal wurde zur gleichen Zeit der 85 Meter hohe Holzwohnturm Mjøstårnet gebaut. Zwar hat der norwegische Kontrahent »nur« 18 Stockwerke, doch mit seiner Konstruktion überbietet er das Wiener HoHo um einen Meter. Und in New York plant das DFA Studio einen 220 Meter hohen Holzturm mitten im Central Park, in dem sich ein kleines Kraftwerk mit vertikal positionierter Windturbine befinden soll. Dass das Rennen um urbane Holzarchitektur noch lange nicht entschieden ist, beweist der W350 Tower in Tokio: Zum 350. Geburtstag will das japanische Unternehmen Sumitomo Forestry einen 350 Meter hohen Büroturm errichten – komplett aus Holz. 

Holz erobert den städtischen Raum, nicht zuletzt auch in der urbansten Bauform überhaupt – im Hochhausbau mit 20 Stockwerken und mehr.

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