Der Wiener Architekt Wolf Prix im LIVING Portrait
Der Wiener Architekt Wolf Prix leitet seit fast 40 Jahren das Büro Coop Himmelb(l)au. Ein Gespräch über Feuer und Eis, über die Zwergpudelstadt Wien, über Neujahrsvorsätze für 2018 – und darüber, warum man niemals die Verantwortung aus der Hand geben sollte.
13 . April 2018 - By Wojciech Czaja
LIVING: Sie haben vor Kurzem Ihren 75. Geburtstag gefeiert. Wie geht es Ihnen?
Wolf Prix: Mit zehn Jahren habe ich im Büro meines Vaters das erste Mal Architektur gezeichnet. So gesehen blicke ich auf ganze 65 Jahre in diesem Beruf zurück. Es ist ein toller, ein sensationeller Beruf. Die Projekte, an denen ich arbeite, machen mir Spaß, aber die Interviews, die ich geben muss, empfinde ich zunehmend als Belastung.
Ich werde mich also anstrengen müssen…Woran arbeiten Sie gerade?
Es gibt ein schönes Zukunftsprojekt: Ich arbeite gerade an einem Buch, das den Zusammenhang zwischen Politik, Gesellschaft und Architektur beleuchtet. Es ist ein Buch mit verschiedenen Organigrammen, zum Beispiel mit matriarchalen Strukturen 6000 vor Christus, mit faschistischen Systemen und heutigen Diktaturen in unterschiedlichen Teilen der Erde. Natürlich richtet sich der Fokus auf reaktionäre und totalitäre Architektur.
Damit haben Sie ja in den letzten Jahren viel Erfahrung gesammelt. Es gibt Projekte in China und Aserbaidschan sowie Projektstudien in Saudi-Arabien.
Ja, das ist richtig.
Wie verhält man sich als Architekt, wenn man für so ein Regime baut?
Man tut das, was man immer tut. Man tut sein Bestes, ohne dem totalitären Geschmack willfährig nachzukommen.
Gelingt das?
Manchmal besser und manchmal schlechter.
In China und Aserbaidschan haben Sie Museen, Konferenzzentren und Veranstaltungsgebäude gebaut. Können Sie uns etwas über das Projekt in Saudi-Arabien erzählen?
Das ist ein Projekt in Jeddah, und zwar ein Forschungszentrum, eine Art dreidimensionaler Souk mit Universität, Forschungsinstituten und diversen öffentlichen Funktionen. Noch befindet sich das Projekt in der Studienphase.
Ist eine Realisierung wahrscheinlich?
Es ist wie immer: Wenn man auf ein Projekt besonders erpicht ist, dann zieht es sich extrem lange hin oder wird nie realisiert. Und dann leidet man darunter wie ein ein Hund. Daher nehme ich mir am liebsten gar nichts vor. Ich lasse die Dinge geschehen.
Die wirklich großen und international bedeutenden Projekte haben Sie bislang im Ausland realisiert. Warum tut sich Coop Himmelb(l)au ausgerechnet in Wien so schwer?
Wir haben einige großartige Projekte für Wien geplant, Wohnbauten, ein Hotel in Altmannsdorf, das Theater Ronacher, aber aus alledem wurde nichts. Wien ist eine sehr bequeme, komfortable Stadt, in der es sich gut leben lässt. Aber zugleich ist Wien auch eine sehr mittelmäßige Stadt, die sich nicht traut, Großes zu wagen und daher im Mittelmaß stecken bleibt. Wien ist eine Zwergpudelstadt.
Was macht die Zwergpudelstadt zur Zwergpudelstadt?
Zwergpudel sind liebe Tiere. Sie bellen ganz laut, aber sie beißen nicht. Oder, anders formuliert: Man kläfft das Problem an, aber beißt sich nicht wirklich an einer möglichen Lösung fest. Die Zwerg-pudelstadt ist für mich Ausdruck einer zunehmenden und früher oder später lähmenden Bürokratisierung.