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Der Stoff aus dem die Träume sind

Von einer wogenden Blumenwiese über ein Kaleidoskop aus Muscheln bis zur samtigen Meeresmolluske – der Trend zu biophilem Design bringt Prints auf weichen Texturen bei Vorhängen, Teppichen und Möbelstoffen – und die Natur zurück ins Wohnzimmer.

14.09.2022 - By Florentina Welley

Wie schön, wenn Sonnenlicht zarte Highlights auf eine blühende Wiese zaubert, Grashalme im Wind sich hin und her wiegen und der Himmel darüber wolkenlos erscheint. Umso schöner, wenn diese Naturkulisse nicht eine Aussicht aus dem Fenster beschreibt, sondern überraschenderweise als wehende Kulisse vor dem eigenen Schlafzimmerfenster hin und her wogt. Dass ein Vorhang Stimmung machen und dazu auch von haptischer Qualität sein soll, ist ein Trend, den immer mehr Konsument:innen aufgreifen. Die neuen Heimtextilien vermitteln Geborgenheit, schwören dem Minimalismus ab und zeigen Stoffe, die mit Blumen, Naturmotiven und Prints, die Geschichten erzählen, verwebt sind.

BIOPHILE LEBENSLUST

Längst haben sich die Sorge um die Umwelt und die Sehnsucht nach unberührter Natur auch in den Köpfen von Interior-Designer:innen manifestiert, die sich bei ihren Entwürfen für Heimtextilien heuer besonders von der Natur inspirieren ließen. Sie antworten mit »biophilem Design«, das die Liebe zum Leben zum Inhalt hat und dem Gedanken folgt, dass die Natur für das Wohlbefinden der Menschen von großer Bedeutung ist. Damit soll das Eigenheim zum Rückzugsort in die selbst geschaffene Natur werden. Und die Produzent:innen von Luxustextilien  achten auf nachhaltige, oft handgefertigte Materialien, eine Kreislaufwirtschaft, die einen möglichst geringen CO2-Footprint hinterlässt, sowie auf recyceltes und biologisch abbaubares Material. So auch Christian Fischbacher. Sein Vorhangstoff »Filomena« lässt Licht durch, ist zart und fließend und zaubert unberührte Naturlandschaften vors Fenster. Die meisten Stoffe seiner Kollektion wurden aus recycelten PET-Flaschen, Meeresplastik oder Industriestoffresten gewonnen.

TAPETENWECHSEL

Auch Wandbekleidungskollektionen bringen mit historischen Naturmotiven aus wechselnden Jahreszeiten einen Trend aus den 1990er-Jahren zurück. Cottagecore lebt auf, unterstreicht die Verbundenheit mit der Natur und kommt mit Blumentapeten, passend zu Vintage-Möbeln und Naturholz, zurück. Etwa im frisch renovierten Belvoir Castle, in dem das Ritual des Afternoon Tea erfunden wurde. Sibyl Colefax & John Fowler, eine britische Interior-Company, ließ die ursprünglichen Tapetenmotive von Fantasievögeln und seltenen Blumen der Herzöge und Herzoginnen aus dem 17. Jahrhundert anlässlich der Renovierung des Castles neu interpretieren. Ihre Designer:innen Emma Burns und Philip Hooper suchten zu den luxuriösen, handgemalten Tapeten von de Gournay passendes Interior.

Das Designerduo Dean und Dan Caten hat wiederum eine erste Tapetenkollektion unter seinem Label Dsquared2 herausgebracht. In Kooperation mit dem Luxustapetenhersteller LondonArt entwickelten die Modedesigner Tapeten, die mit Motiven aus aller Welt bedruckt wurden und von kanadischen Wäldern und von mit Graffiti verzierten Blumenwiesen sprechen. »Die Tapeten verleihen unseren Räumen eine tiefere Bedeutung, die Drucke sind visuelle Referenzen dafür, wer wir sind, sie erzählen unsere Geschichte«, so Dan Caten anlässlich der Präsentation für LondonArt in Mailand.

ORGANIC FEELINGS

Mit Home Textiles beschäftigte sich auch Designer Virgil Abloh. Er setzte bei einem seiner letzten Entwürfe, dem Samtteppich »Don’t Look Down« im Perserstil, auf einen Stoffprint, der aus der aktuellen Ready-to-wear-Runway-Kollektion von Off-White stammt und aus natürlichen  Kokosschalenfasern besteht. Seine Home-4.0-Kollektion »Organic Feeling« soll an die ständige Transformation der Natur erinnern.

Auch Designer Luca Nichetto, unter anderem Art-Direktor von Wittmann, stellte einen neuen Teppich in Mailand vor. Designt vom Österreicher Arthur Arbesser. »Nichetto kennt und schätzt meine grafischen Stoffe, wie ich in meiner Arbeit mit Farbe umgehe, und fragte mich, ob ich Lust hätte, exklusive Stoffe und Teppiche für Wittmann zu entwerfen«, erzählte Arbesser im LIVING Interview. »Ich bin ein Fan des österreichischen Traditionsunternehmens sowie der Wiener Werkstätten, deren grafische Sprache ich immer wieder in meine Arbeit miteinbeziehe.« Für das Muster auf dem Teppich »Scala«, produziert von der Mailänder Teppichfirma cc-tapis, standen die verfliesten Stiegenhäuser Wiens sowie typische Wiener Holzeinlegearbeiten Pate. Die Möbelstoffe ließ der Modedesigner für Wittmann bei der renommierten venezianischen Stofffirma Rubelli weben. Auch Tischwäsche hat Arbesser im Programm. »Wir graben für die Tablewear unsere liebsten Drucke aus sämtlichen Modekollektionen aus und wandeln sie für Tischtücher etwas um.« Dass dabei Motive aus der Natur geprintet werden, liegt im Trend. So kommen in der neuen Tableware-Kollektion Blumenmuster aus der Sommermode 2020 zum Einsatz, die Farben wurden dem Herbst angepasst. Interior-Designer Marcel Wanders ließ sich wiederum von den Elementen Luft, Wasser und Erde inspirieren und erweckt bei seinen handgeknüpften Seidenteppichen aus der Kollektion »Kaleido of Life« für Sahrai den Eindruck, als sähe man durch ein Kaleidoskop. Der Teppich »Allure« ist ein Mix aus magisch geformten Figuren unterschiedlicher Muscheln, Seesternen und Unterwasservegetation.

Neben dem Trend zu Motiven aus der Natur zeigt sich ein weiterer: Stoffe, die performen. Samtige, haptische Oberflächen auf kurvigen Polstermöbeln zeigt Paola Lenti mit dem geschmeidigen »Metamorfosi Chromodor«, einem Sitzpuff aus Filz mit abnehmbarem Bezug. Die Designer Estudio Campana bringen eine bunte Meeresmolluske mitten ins Wohnzimmer, deren Polsterung aus recycelbarem Polyethylenschaum und recycelten Polyesterfasern besteht. Weicher Samt und florale Farbpracht zeichnen hingegen die Kollektion »Ohlinda« von Bretz aus. Das fantasievolle Storytelling des Hochlehners »Cocoa Island« erzählt vom Blaugrün des Ozeans und vom blumenreichen Garten Eden. Der Modestoff der 1970er-Jahre bringt wiederum mit Farben und Blumenprints das Gefühl von Weichheit und Botanik ins Wohnzimmer.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 06/2022

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