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David Chipperfield, Meister des Minimalismus, baut in New York für Rolex

Laute Gesten und schrille, schreiende Gebäude sind nicht sein Metier. Viel eher übt sich der Londoner Architekt David Chipperfield, ein Sir der klassischen Moderne, in stiller Zurückhaltung und britischem Understatement. Jetzt baut er für Rolex in New York.

22.12.2022 - By Wojciech Czaja

Eine klassische Rolex »Oyster«, Edelstahl oder Weißgold, wird am Zifferblattrand von 80 Facettierungen gesäumt. Die geriffelte Lünette, die einst einen praktischen Zweck hatte und zum Verschrauben mit dem Uhrengehäuse diente, verleiht dem klassischen Chronometer seinen unverwechselbaren visuellen Charakter. Schon bald wird sich so ein facettierter Schliff auch in den Hochhausschluchten Manhattans wiederfinden, denn genau hier plant der Londoner Architekt Sir David Chipperfield das neue New Yorker Hauptquartier der Schweizer Uhrenmanufaktur Rolex.

Kein Zufall also, dass die transparente Beletage, in die man direkt von der 53. Straße, Ecke Fifth Avenue, mit einer Rolltreppe hinauffährt, auf den Renderings mit 16 schlanken, kantigen Lisenen in den Straßenraum hinausleuchtet – und so einen symbolischen Einblick in die Geschichte und ins wahrscheinlich berühmteste Produkt des 1905 gegründeten Traditionshauses gewährt. Über der Lobby erhebt sich ein 25-stöckiger Tower mit insgesamt 15.000 Quadratmetern Nutzfläche.

»Wir sind sehr stolz darauf, dass wir auserwählt wurden, dieses bedeutende Gebäude zu entwerfen«, sagt Chipperfield. »Die Bauaufgabe ist mehr als ehrenvoll, und gemeinsam mit meinem Team bin ich bestrebt, ein beispielhaftes Gebäude zu schaffen, das dem Erbe und der Kultur der Marke Rolex, aber auch der prominenten Lage an der Fifth -Avenue gerecht wird. Das Haus steht für Qualität, Präzision und Exzellenz und soll zu einem wichtigen Symbol für das Engagement von Rolex werden.«

Errichtet wird das 128-Meter-Hochhaus anstelle des jetzigen Rolex-Headquarters aus den Siebzigerjahren, das sowohl räumlich als auch technisch schon lange nicht mehr den heutigen Anforderungen an das Bauen und an einen zeitgemäßen Arbeitsplatz gerecht wird. Der Neubau soll in Übereinstimmung mit den strengen ökologischen Standards des US-amerikanischen Qualitätszertifikats LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) errichtet werden und hat -bereits in der Planungsphase den höchsten Auszeichnungslevel, »Platinum«, erreicht. Noch stilechter kann man sich einer Edelmetall-Uhr wohl kaum annähern.

Britisches Understatement 

»Jedes Gebäude suggeriert uns, eine ganz bestimmte Sorte Mensch zu sein«, sagt David Chipperfield. »Gelungene Architektur bringt das Beste in uns zum Vorschein: Offenheit, Großzügigkeit, Sanftmut, Ruhe, Harmonie und Freundlichkeit.«

© Pierre Adenis
»Letztendlich aber sind wir alle Geschöpfe unserer Zeit. Umso mehr bemühe ich mich, eine Architektur zu bauen, die so zeitlos ist wie nur möglich.« - David Chipperfield über Beständigkeit

»Ich bin misstrauisch gegenüber der Idee, dass wir Architekten wie Geschäftsführer, Markenmanager oder Anbieter von Luxusgütern agieren«, sagt Chipperfield, der in seiner Kindheit und Jugend eigentlich davon träumte, Tierarzt zu werden. »Letztendlich aber sind wir alle Geschöpfe unserer Zeit. Umso mehr bemühe ich mich, eine Architektur zu bauen, die so zeitlos ist wie nur möglich.« Eines seiner größten und wichtigsten Vorbilder, sagt der 69-Jährige, sei Ludwig Mies van der Rohe. »Das ist sicherlich ein gewisser Einfluss, das kann ich nicht leugnen.«

Es muss ein großer Moment für Chipperfield gewesen sein, als 2015 beschlossen ­wurde, dass ausgerechnet er die Neue Nationalgalerie in Berlin-Mitte, eines der Schlüsselbauwerke von Mies van der Rohe und eine Ikone der klassischen Moderne, generalsanieren sollte. Mehr als fünf Jahre lang zogen sich die Umbau- und Reparaturarbeiten an der denkmalgeschützten Glaskiste, 2021 konnte das generalsanierte und unterirdisch erweiterte Museum wieder seinen Betrieb aufnehmen.

»Die Neue Nationalgalerie ist eines der großartigsten und der wirklich utopischen Gebäude des 20. Jahrhunderts«, sagt Chipperfield, der neben seinem Londoner Büro Dependancen in Berlin, Mailand und Shanghai hält und ein Team mit mehr als 150 Mitar­beiter:­innen leitet. »Aber nach fast 50 Jahren ­intensiver Nutzung war eine umfassende Sanierung unausweichlich. Unser Ansatz war: So viel Mies wie möglich, aber auch weg mit dem Mief der Sechzigerjahre, ohne dabei den Charakter oder den Geist des Gebäudes zu zerstören.«

Sowohl Stahlkonstruktion und Glasfassade als auch die gesamte Haustechnik mussten ertüchtigt und erneuert werden. Um den Rohbau freizulegen, mussten rund 35.000 Originalbauteile demontiert, nummeriert, dokumentiert und zwischengelagert werden. Nach ihrer Restaurierung wurden Bodenbeläge, Steinverkleidungen und Originalmöbel wieder an ihren ursprünglichen Positionen installiert. Chipperfield: »Dieses Projekt ist keine Neuinterpretation, sondern eine respektvolle Instandsetzung eines Wahr­zeichens des International Styles.«

Erschienen im Falstaff LIVING Residences 02/2022

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