Architektur-Trends 2021: Wie es weitergeht
Die Architektur war schon immer die beste Prophetin, denn sie hat den längsten Atem und malt die verführerischsten Zukunftsbilder. Wir haben die wichtigsten Architekturtrends der Gegenwart und Zukunft aufgespürt: Es wird grüner, klüger, kühler, handwerklicher und vor allem viel schöner.
07.02.2021 - By Maik Novotny
Die Architektur ist ein langsames Geschäft. Mit jährlichen Trendfarben wie die Mode- oder Möbelindustrie kann sie nicht aufwarten. Das heißt nicht, dass sie für Trendforscher uninteressant ist, im Gegenteil. Gerade, weil sie langsamer ist, hat sie den besten Ausblick auf die Zukunft. Die Richtung, in die sich die Architektur bewegt, wird unsere Welt von morgen sein. Nehmen wir gleich den ersten und vielleicht wichtigsten Trend: Ökologie und Klimabewusstsein. Seit der Architekt Stefano Boeri 2014 die baumbepflanzten Doppeltürme Bosco Verticale in Mailand errichtete, will die ganze Welt Bäume auf Hochhäusern, von Schanghai über Chicago bis Wien auch wenn dies nur mit sehr großem Aufwand funktioniert.
GRÜNE OASE
Doch grüne Architektur kann mehr als Pflanzen-Deko. Vor allem in Südostasien ist man viel weiter. Architekten in Vietnam und Indonesien machen Häuser zu Gärten, und man weiß nicht mehr, wo das eine anfängt und der andere aufhört. Die Paramit Factory in Malaysia von Design Unit Architects ist tropischer Wald und Firmensitz zugleich, beides vereint unter einem ausladenden, filigranen Dach. Hier ist das Grün Teil der Architektur, eine wohltemperierte Oase für die 800 Mitarbeiter. Man sieht: Der Blick über den Tellerrand lohnt sich, denn es entsteht Neues und Gutes; nicht nur in Europa und den USA.
Doch auch hier ändert sich das Gesicht -der »grünen Architektur«. Früher war sie das strickpulloverhafte Hobby ökologisch engagierter Architekten, mit Häusern, bei denen die Isolierschichten über die Ästhetik siegten, eingehüllt in dicke Wärmedämmung. Heute sieht grüne Architektur nicht nur schöner aus, sie hat auch dazugelernt. Aufgrund des Klimawandels ist die Kühlung oft wichtiger als das Heizen, und ein Maximum an Sonnenlicht
ist weniger erwünscht. Der Trend lautet also: mehr Schatten!
KOMPLETT UMDENKEN
Eine Forderung, die Architekten begeistert aufgreifen: endlich der vom unverbesserbar hässlichen Styropor erstickten Kreativität wieder freien Lauf lassen! Horizontale Lamellen, ornamentale Muster. Oder auch: eine Fassade aus 8.000 Keramik-Elementen, die bei der neuen Stadtbibliothek in Dornbirn von Dietrich Untertrifaller Architekten das Bild von Büchern in Regalen nachzeichnen und gleichzeitig Schatten spenden.
Durch-löcherte Ziegelfassaden wie bei den Headquarters der Kohan Ceram Brick Manufacturing Company in Teheran, die sich wie ein geheimnisvoller Schleier vor die eigentliche Fassade legen und sie angenehm herunterkühlen. Im bis zu fünf Meter breiten Zwischenraum gedeihen Pflanzen, die die berüchtigt schmutzige Luft der Neun-Millionen-Stadt reinigen.
Mehr als ein Trend, sondern ein komplettes Umdenken steckt hinter dem an allen Ecken und Enden der Architektur diskutierten Thema Recycling. Wie, fragen sich viele, könnte Architektur aussehen, die sich als Ansammlung von Materialien auf Zeit versteht? Was, wenn man ein Gebäude rückstandslos wieder auseinandernehmen könnte? Wie so etwas aussieht, kann man im schweizerischen Dübendorf besichtigen. Dort hat der Stuttgarter Architekt und Ingenieur Professor Werner Sobek mit Dirk E. Hebel und Felix Heisel die Urban Mining and Recycling Unit (UMAR) als Prototyp gebaut. Hier kamen keine Mischungen zum Einsatz, die beim Abbruch als untrennbarer Sondermüll enden, alles kann wieder in den Kreislauf eingespeist werden. Noch dazu sieht man es dem Gebäude gar nicht an: Recycling kann nämlich sehr lu-xuriös aussehen. Hier trifft sich die in die Zukunft weiterdenkende Architektur mit fortschrittlichen Ökonomen, die die Kreislaufwirtschaft propagieren. Davon werden wir in den kommenden Jahren noch viel hören und sehen.