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Absolutely Handmade: Handgefertigten Individualisierung in der Automobilen

Die Zeiten ändern sich rapide, auch in der Konfiguration von ganz besonderen Automobilen. Leistung ist out, dafür werden der handgefertigten Individualisierung keine Grenzen gesetzt.

08.01.2021 - By Christian Kornherr

Hand aufs Herz: Der Zugang zum Thema Besitzen/Benützen/Liebhaben eines Fahrzeugs hat sich in den letzten Jahren schneller und drastischer verändert als jemals zuvor in der nun bald 135-jährigen Geschichte des Automobils. Das Prinzip »immer größer, immer stärker, immer schneller« funktioniert immer seltener als bestimmender Kaufanreiz. Zunehmend lösen smarte Elektromobile großvolumige Verbrennungskraftmaschinen als Statussymbol ab – darüber wissen wir alle längst Bescheid.

Mehr im Verborgenen spielt sich ein zweiter, nicht minder vitaler Trend beim finanziell fortgeschrittenen Autokauf ab, und der heißt: Charakter statt Kraftprotzerei. Wenn Leistung nicht mehr zählt, hilft die Personalisierung, um sich von der Masse abzuheben. Und es ist bei allen Herstellern pure Handarbeit, die aus einem schnöden Fließbandprodukt ein individuelles Schmuckstück macht. 

Rolly-Royce, Premiumhersteller seit 1904, hat es schon immer gewusst: So gehört es zu den Qualitätsanforderungen der Marke, dass ausschließlich die Häute von Rindern verarbeitet werden, die auf stacheldrahtlosen Weiden gehalten wurden. Dies garantiert, dass im Leder keine Narben enthalten sind. Rolls-Royce beschäftigt noch Sattler, Tischler und Galvaniseure, insgesamt braucht es rund 600 Handwerksstunden, bis ein Fahrzeug der Marke auf die Straßen der Welt entlassen wird. Nur zum Vergleich: Ein Kleinwagen ist nach 15 Stunden zusammengeschraubt.

Den absoluten Höhepunkt der exklusiven Handwerkskunst stellt allerdings der Job von Mark Court dar. Der Coachline Painter ist die einzige Person im Werk, die berechtigt ist, am Ende der Produktion die RR-typische, feine Lacklinie an den Karosserieseiten anzubringen. Der ehemalige Pub-Schildermaler brauchte sechs Monate, um die spezielle Ziehtechnik zu erlernen, als Pinsel kommen ausschließlich Eichhörnchen-Borsten zur Anwendung. Die Applizierung des zwei bis drei Millimeter dünnen Strichs mit ruhiger Hand kann – wohl je nach Tagesverfassung von Mr. Court – zwischen zwei und vier Stunden dauern. Damit der Einzigartigkeit nicht genug, kann der Kunde natürlich die Farbe (200 Farbtöne des Speziallacks sind möglich) und Strichstärke bestimmen. Die Linie ist jedenfalls so dünn, dass sie nicht mit einem herkömmlichen Lackierprozess realisiert werden kann und beim Drüberstreichen von exakter und doch individueller Handarbeit zeugt. Die Coachline eines Rolls-Royce ist ohne Zweifel eine hübsche Geschichte, die sich an gehobenen Stammtischen zeitgemäßer erzählen lässt als irgendwelche Null-auf-Hundert-Abenteuer.

Allerdings liegt der Einstiegspreis für diese Art der Individualität bei rund 300.000 Euro für das »kleine« Modell Ghost, und man ahnt, dass es nach oben kaum Grenzen gibt. Aber auch die Besitzer etwas schmalerer Kontoauszüge müssen nicht verzagen. Besonderer Luxus, Exklusivität und Einzigartigkeit lässt sich auch auf deutlich niedrigerem Level erreichen. Längst haben die deutschen Premium-marken den Trend erkannt und verdienen gutes Geld damit. Audi exklusive, BMW Individual und Mercedes Designo heißen die Abteilungen, die nichts anderes im Sinn haben, als jeden noch so ausgefallenen Kundenwunsch zu erfüllen.

Rolls-Royce beschäftigt noch Sattler, Tischler und Galvaniseure, insgesamt braucht es rund 600 Hand­werksstunden, bis ein Fahrzeug der Marke auf die Strassen der Welt entlassen wird.

Die Fahrzeuge werden rechtzeitig aus der Fließbandproduktion ausgeklinkt, um dann in den firmeneigenen Veredelungsabteilungen ihre Einzigartigkeit zu erlangen. Davor steht meist ein Beratungsgespräch mit einem eigens geschulten Mitarbeiter, der die solcherart motivierte Kundschaft über Möglichkeiten und Preisgestaltung aufklärt. Und weil sich bekanntlich über Geschmack nicht streiten lässt, ist wirklich nahezu alles möglich, solange es machbar ist und es mit den Sicherheits- und Haltbarkeitsansprüchen der Hersteller kompatibel ist. Alle drei deutschen Premiumhersteller verfügen über eigene Polstereien, die in der Lage sind Sitzbezüge, Verkleidungen, Dachhimmel und Stickereien nach individuellen Vorgaben zu fertigen. Bei der Farbwahl soll übrigens der Lieblingsnagellack der Gattin ein gar nicht so selten geäußertes Begehren sein.

Audi exklusive bietet mehr als 50 individuelle Lackierungen an, dazu eine Vielzahl von Leder- und Stoffmaterialien, die mit speziellen Hölzern und Dekoren kombiniert werden können. Weitere Verfeinerungsmöglichkeiten bestehen in farblich abgestimmten Nähten und Teppichen sowie personalisierten Einstiegsleisten. Mercedes offeriert mit dem Designo-Konzept ähnliche Leistungen. Erweiterte Lederausstattungen, schneeweiße Kofferraumauskleidung oder schlicht das Familienwappen in den Kopfstützen stellen keine unlösbaren Probleme dar. Eins oben drauf in Sachen Individualität bietet dann noch das Luxus-SUV G-Klasse. Neben der G-Klasse-Produktion befindet sich in Graz die designo manufaktur, wo bewiesen wird, dass extreme Standfestigkeit und Geländeeigenschaften kein Widerspruch zu Feinnappa-Polsterung, Edelholz-Cockpit und allerlei exklusiven Kundenwünschen sein müssen.

BMW Individual hat mehr als 120 Farben im Programm, die auch in einem Bicolor-Look miteinander kombiniert werden können. Das üblich üppige Angebot an Bezugsmaterialien wird ergänzt durch die freie Wahl der Cockpit-Oberflächen. So kann man die Maserung seines Lieblingsbaumes mit auf Reisen nehmen. 

Und wem das noch immer nicht reicht, der kann beispielsweise die Mittelkonsole durch eingelassene Diamanten zum Strahlen bringen. Als ultimativen Leistungsbeweis fertigte BMWs Veredelungsabteilung einst einen 760 Li mit Markenemblemen, Zierleisten und Bedienungselementen aus massivem Sterlingsilber, dessen »einzigartig warmer Glanz dem Kenner auf den ersten Blick zeigt, dass es Silber und nicht Chrom oder poliertes Aluminium ist«. Der Zierrat verdoppelte den Preis der Zwölfzylinder-Limousine übrigens, und neben anderen Alltagsschwächen (Diebstahlsicherheit?) war für den stolzen Besitzer sicher auch eine weitere Frage zu klären: Wer putzt eigentlich das feine Tafelsilber in der Garage?

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